ISO 9001:2015 – Was ändert sich wirklich?
Der unlängst erschienene DIS (Draft International Standard) der ISO 9001 lässt erkennen, was sich wirklich verändert. Die Unterschiede zum ersten Entwurf (CD – Commitee Draft) sind nun doch erheblich. Die Veröffentlichung der endgültigen ISO 9001:2015 ist für September 2015 geplant. Vermutlich im November 2014 soll der Final Draft (FDIS) veröffentlicht werden, an dem dann keine inhaltlichen Veränderungen mehr zulässig sind. Fraglich ist nach den umfangreichen Änderungen im DIS, ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann. Die ISO hat sich jedenfalls eindeutig auf 2015 festgelegt. Es ist mit einer dreijährigen Übergangsfrist für die Einführung der Norm zu rechnen, wie bei der letzten “großen” Revision im Jahr 2000. Daher empfehlen wir unseren Kunden die Umstellung ihres Managementsystems auf die ISO 9001:2015 im Rahmen einer Rezertifizierung vorzunehmen, da dabei ohnehin eine Dokumentenprüfung erforderlich ist.
Aus der aktuellen Veröffentlichung, in deutscher Sprache vermutlich ab Juli 2014 verfügbar, ist nun sehr genau zu erkennen, welche Änderungen die Überarbeitung der Internationalen Norm für Qualitätsmanagement nach sich ziehen wird und welche Verbesserungen sich für Unternehmen aus den Neuerungen ergeben. Die Grundlagen der neu eingeführten High Level Structure sind von der erneuten Überarbeitung nicht betroffen, auch die Änderungen einiger Begriffe haben keine inhaltlichen Auswirkungen.
Die wesentlichen Änderungen der ISO 9001:2015 haben wir nachfolgend kommentiert:
Neue Struktur
Bereits fest steht, dass es strukturelle Veränderungen geben wird: Neu ist die „High Level Structure“. Der Entwurf ist nach den Anforderungen der ISO Directive, Annex SL 2013, gegliedert. Die Ersteller von Normen für Managementsysteme müssen künftig die gleiche Struktur, die gleiche Gliederung sowie einheitliche Textbausteine und eine einheitliche Terminologie verwenden. Dies soll gewährleisten, dass in den Abschnitten aller Managementsystem-Normen gemeinsame Kapitelüberschriften und Haupttexte genutzt werden. Die ISO 14001 und BS OHSAS 18001 sollen nach der gleichen Struktur überarbeitet werden.
Die vorliegende Version ISO/DIS 9001:2015 folgt der neuen Struktur und ist in zehn Abschnitte gegliedert:
1. Anwendungsbereich, 2. Normative Verweise, 3. Begriffe, 4. Kontext der Organisation, 5. Führung, 6. Planung, 7. Unterstützung, 8. Betrieb, 9. Leistungsbewertung, 10. Verbesserung.
Der neue Entwurf soll die Norm allgemeingültiger machen und ihre Anwendbarkeit im Dienstleistungssektor verbessern. Der früher verwendete Begriff „Produkt“ wird daher an den Stellen, die sich spezifisch auf die dem Kunden bereitzustellenden Ergebnisse beziehen, durch den Ausdruck „Produkt und Dienstleistungen“ ersetzt.
Kontext der Organisation
Die in Anlage SL, Anhang 2, festgelegte übergeordnete Struktur und der Kerntext führen zwei neue Bestimmungen im Zusammenhang mit der Organisation ein: 4.1 “Verstehen der Organisation und ihres Kontext” und 4.2 “Verstehen der Bedürfnisse und Erwartungen interessierter Parteien”. Laut diesen beiden Bestimmungen müssen Organisationen die Sachverhalte und Anforderungen ermitteln, die sich auf die Planung des Qualitätsmanagementsystems (QMS) auswirken und als Eingabe für die Entwicklung des QMS dienen können. Neu ist hier der Stakeholder-Ansatz, der als einer der aktuellsten Unternehmensführungsgrundsätze gilt. Er geht von der Annahme aus, dass langfristiger Unterehmenserfolg nur durch die Berücksichtigung der verschiedenen Interessensgruppen eines Unternehmens sichergestellt werden kann. Der Ansatz wird bereits seit vielen Jahren in der ISO 9004:2009, Kapitel 4.4 „Interessierte Parteien, Erfordernisse und Erwartungen“, abgebildet und findet nun Eingang in den Normentwurf. In Erweiterung zum sogenannten „Customer-Relationship-Management“ (CRM), welches sich lediglich mit den Beziehungen einer Organisation zu ihren Kunden auseinandersetzt, geht das Prinzip des „Stakeholder-Relationship-Management“ (SRM) deutlich weiter. Es versucht, die Beziehungen der Organisation zu allen, beziehungsweise seinen wichtigen Anspruchs-/Interessensgruppen in Einklang zu bringen (zum Beispiel direkte Kunden, Endverbraucher, Lieferanten, Groß- und Einzelhändler und sonstige Parteien entlang der Lieferkette, Behörden und weitere maßgebliche, interessierte Parteien. Neu aufgenommen wurden auch Eigentümer, Mitarbeiter der Organisation, Banken und sogar Wettbewerber). Der DIS verweist zwar auf die Ermittlung der Anforderungen maßgeblicher, interessierter Parteien, fordert jedoch nicht, dass die Produkte und Dienstleistungen die Bedürfnisse und Erwartungen dieser Parteien (Ausnahme: Kunden und Behörden) erfüllen müssen. Eine solche Forderung würde eine Änderung des Anwendungsbereichs der Norm notwendig machen, welche durch die Designspezifikation der Revision nicht abgedeckt ist.
Prozessansatz
Die Norm ISO 9001:2008 unterstützte die Einführung eines Prozessansatzes zur Entwicklung, Umsetzung und Verbesserung der Wirksamkeit des QMS. Der neue Revisionsvorschlag der Norm tut dies noch expliziter im Kapitel 4.4 “Qualitätsmanagementsystem und seine Prozesse”. In diesem Unterkapitel sind die essentiellen Anforderungen an einen prozessorientierten Managementansatz spezifiziert. In- und Output eines jeden Prozesses müssen festgelegt werden. Die Messung der Leistungskennzahlen, die Festlegung der Verantwortlichkeiten etc. sind künftig vorgegeben.
Risiko und Vorbeugungsmaßnahmen
Die in Anlage SL, Anhang 2, festgelegte übergeordnete Struktur und die einheitlichen Textbausteine enthalten keine Bestimmung mit spezifischen Anforderungen bezüglich „Vorbeugungsmaßnahmen“. Dies liegt daran, dass die Funktion als „Vorbeugungswerkzeug“ einer der Hauptzwecke eines offiziellen Managementsystems ist (Risikoprävention). Der Betonung eines risikobasierten Ansatzes wird an vielen Stellen des Entwurfs Rechnung getragen. Das reicht von der Risikobetrachtung im Kapitel 4.4 „QM-System und seine Prozesse“ über „Führungsthemen“ (Kapitel 5.1.1) und zu einem eigenen Unterkapitel in 6.1.2 „Maßnahmen bezüglich Risiken und Chancen“ bis hin zu risikobasierten Ansätzen „Operative Planung und Lenkung“ (Kapitel 8.1) und „Management Review“ (Kapitel 9.3). Der Entwurf verlangt zwar die Identifizierung von Risiken und das Ergreifen entsprechender Maßnahmen, enthält jedoch keine Forderung nach einem standardisierten Risikomanagement.
Dokumentierte Informationen
Unter „Dokumentierte Informationen“ werden die bisherigen Begriffe wie „Dokumente und Aufzeichnungen“ zusammengefasst. Die Absicht war, Anwendern mehr Flexibilität zu ermöglichen. Dies gilt auch für die Darstellung der Prozesse. In welchem Detaillierungsgrad Prozesse auch schriftlich dokumentiert werden müssen, kann das Unternehmen – zum Beispiel abhängig von Komplexität der Prozesse oder Kompetenz der Mitarbeiter – selbst festlegen. Die von der Norm früher geforderten Verfahrensanweisungen sind nicht mehr erforderlich.
Verantwortung der Leitung
Die „Verantwortung der Leitung“ wird gestärkt – die bisherige Verantwortung eines Qualitätsmanagementbeauftragten (QMB) soll künftig bei der obersten Leitung liegen.
Management Review
Der Betrachtungsrahmen des „Management Reviews“ wird erweitert durch die Aspekte „Strategische Ausrichtung der Organisation“, Berücksichtigung der „relevanten, interessierten Parteien“ sowie die „Bewertung von Risiken und Chancen“ auf einer strategischen Ebene.
Über den weiteren Verlauf des Revisionsverfahrens informiert die AGQS ihre Kunden zeitnah.

